St. Lukas 1,39-56 | Mariae Heimsuchung | Pfr. Dr. Martens

Es gibt Wochen, da bleibt einem am Ende der Gesang von Liedern fast im Halse stecken; da fragt man sich, ob Schweigen nicht doch die beste Alternative ist, wenn man merkt, dass eigene Worte, eigener Einsatz so gar nichts zu bewirken vermögen.

Da liegt mal wieder ein Taufbewerber aus unserer Gemeinde im Krankenhaus – zusammengeschlagen in seiner Aufnahmeeinrichtung, weil bekannt geworden war, dass er vom Islam zum christlichen Glauben konvertieren wollte. Und der, der ihn zum christlichen Glauben eingeladen hatte, kann es schon gar nicht mehr wagen, das Heim zu betreten, weil man ihm ganz unverhohlen mit seiner Tötung gedroht hat. Doch die, die dagegen etwas unternehmen könnten und müssten, schweigen, schauen weg, leugnen, begnügen sich mit zynischen, menschenverachtenden Sprüchen wie etwa dem Hinweis, dass die Betroffenen sich ja bei der Polizei beschweren und dort Anzeige erstatten könnten. Immer wieder haben wir versucht, auf die Nöte der bedrängten und verfolgten Christen in den Heimen unseres Landes hinzuweisen. Doch in der Politik interessiert man sich weit mehr für das Sexualverhalten bestimmter Gruppen in unserem Land als für Leib und Leben von Flüchtlingen, die dem Steuerzahler ja ohnehin nur auf der Tasche liegen. Was soll man da noch schreien und rufen, wenn doch keiner hört? Ja, wie kann man da noch singen, während Brüder und Schwestern in unserem Land immer wieder Todesangst ausstehen müssen?

Da hatte ich mir in den vergangenen Wochen den Mund bald fusselig geredet, versucht, den Verantwortlichen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge deutlich zu machen, warum es der Wahrheitsfindung nicht hilft, wenn sie immer wieder auf Konfrontationskurs mit den christlichen Kirchen gehen. Wenigstens auf ein bisschen Einsicht hatte ich gehofft – und dann hagelte es in diesen vergangenen beiden Wochen so viele Ablehnungsbescheide für treue Gemeindeglieder wie schon lange nicht mehr. Treue und engagierte Christen sollen in ihre muslimischen Heimatländer abgeschoben werden, weil der deutsche Staat meint, besser über den Glauben dieser Menschen befinden zu können als die zuständigen Seelsorger. Ja, was soll man da noch schreien und rufen, wenn doch keiner hört? Ja, wie kann man da noch singen, während Brüder und Schwestern in unserer Gemeinde in ihrer Verzweiflung kaum noch ein oder aus wissen?

Und da haben wir nun in dieser Woche staunend miterlebt, wie in unserem Land in Windeseile die Ehe in ihrer bisherigen Bedeutung und inhaltlichen Füllung schlicht und einfach abgeschafft wurde, wie mit dem Schüren von menschlich verständlichen Emotionen und etwas Konfetti aus einer Schöpfungsordnung Gottes eine völlig neue gesellschaftliche Institution gemacht wurde, die wohl mehr den Interessen einzelner Betroffener als der Zukunft des menschlichen Zusammenlebens in einer Gesellschaft dient. Und da konnte man miterleben, wie kritische Stimmen und Rückfragen oftmals nur noch ins Lächerliche gezogen und verleumdet wurden, wie es kaum noch möglich war, über diese Fragen noch eine sachliche Diskussion zu führen, geschweige denn Verständnis dafür zu finden, dass eine solche Entscheidung auch etwas mit dem guten Willen Gottes für unser Zusammenleben zu tun haben könnte. Ja, wie kann man da noch singen, während Menschen sich Gottes Gericht auf den Hals laden, ohne sich davon auch nur im Geringsten beeindrucken zu lassen? Muss man da am Ende nicht doch schweigen, wenn alles Rufen nichts mehr bringt?

Im heiligen Evangelium dieses Tages hören wir nun doch einen Gesang – einen mitreißenden Gesang, der auch uns dazu anleiten will, mitzusingen, allen gegenteiligen Erfahrungen zum Trotz. Die Gottesmutter Maria ist es, die hier singt und uns zum Singen mit einlädt. Nein, sie singt hier nicht, weil alles in ihrem Leben so glatt läuft, weil sich alle ihre Wünsche erfüllen und es ihr so gut geht. Im Gegenteil: Kurz zuvor hatte sie eine unfassliche Nachricht erhalten, eine Nachricht, die ihr ganzes Leben durcheinandergebracht hatte, ja mehr noch: die ihre gesamten Zukunftsplanungen bedrohte: Schwanger sollte sie werden, ohne verheiratet zu sein. Und damit stand sie in der Gefahr, gesellschaftlich geächtet zu werden, wenn man nicht gar noch Schlimmeres mit ihr anstellte. Mutter Gottes zu werden – das war nun wirklich kein Karrieresprung, das war ein ganz massives, scheinbar unüberwindliches menschliches Problem.

Doch Maria singt dennoch. Sie singt nicht davon, wie gut es ihr geht, sie singt nicht von ihren Wünschen. Sie singt von dem, was Gott an ihr getan hat, ja, was er mit allen Menschen tut und tun wird. Gott hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen, so singt es Maria hier. Gott blickt ganz nach unten, blickt hin zu denen, die selber völlig ohnmächtig zu sein scheinen, die selber keine Chance zu haben scheinen gegenüber denen, die über ihr Schicksal zu bestimmen scheinen. Gott schaut ganz anders hin, als Menschen es tun. Er fragt sich nicht, ob das, was er tut, gut bei den Leuten ankommt, ob ihn sein Handeln Wählerstimmen kostet oder nicht. Er fragt sich nicht, ob das, was er tut, ihm selber einen Vorteil bringt. Er ist einzig und allein getrieben von einem unwiderstehlichen Faible für die Schwachen, die Armen, die Niedrigen, die Hungrigen. Und er ist ganz und gar bestimmt von seiner Treue und Zuverlässigkeit, davon, dass er zu dem steht, was er einmal versprochen hat, und nicht schon einen Tag oder ein Jahr später wieder das Gegenteil von dem sagt und tut, was er zuvor erklärt hatte.

Auf diesen Gott lenkt Maria mit ihrem Gesang unseren Blick, will gerade so auch unsere Münder öffnen, dass aus ihnen doch wieder der Gesang herauskommt, der uns zuvor in der Kehle steckengeblieben war.

Ja, Gott vergisst sie nicht, die Kleinen, die Unterdrückten, die Machtlosen. Er vergisst sie nicht, die geringsten Geschwister seines Sohnes, denen als christliche Flüchtlinge oft genug jede Unterstützung und jeder Schutz verwehrt wird. Gott vergisst sie nicht, die ungeborenen Kinder, die hier in unserem Land oft genug als leicht zu entfernender Zellklumpen behandelt werden, während hier in unserem Evangelium Elisabeth diesen vermeintlichen Zellklumpen bereits ehrfürchtig als ihren Herrn begrüßt, während ein anderes ungeborenes Kind, das angeblich doch noch gar kein Mensch ist, seinen Herrn und Retter mit Freudensprüngen willkommen heißt. Gott vergisst auch all die geborenen Kinder nicht, die zum Spielball der Wünsche und Interessen von Erwachsenen werden und die so oft unter dem Egoismus derer zu leiden hatten und haben, denen sie anvertraut waren. Gott vergisst auch euch nicht, liebe Schwestern und Brüder hier in der Gemeinde, die ihr euch in unserem Land so oft verraten und verkauft vorkommt, weil euch so wenige ernst nehmen mit eurer Lebensgeschichte, mit dem, was ihr erzählt und bezeugt. Gott schaut auf die ganz unten, er schaut auf euch, will auch euch hochheben, will euch erst recht nicht am Boden liegen lassen.

Ja, mehr noch: Der Gott, der an eurer Seite steht und vor dem so viele, die in unserem Land heute die Verantwortung tragen, keinen Respekt mehr haben, er wird nicht für immer dem Unrecht zusehen, das in unserem Land geschieht, wird im Gegenteil die einmal zur Rechenschaft ziehen, die jetzt noch meinen, sie seien nur den aktuellen Umfragewerten verantwortlich, die jetzt noch meinen, Gottes Gericht als lächerlich abtun zu können. Ja, Gott selber wird auch in unserem Land einmal die Reichen und Satten leer ausgehen lassen, die, die nur um ihre eigenen Bedürfnisse kreisen und denen das Geschick der Armen und Hungrigen egal ist. Gott selber wird einmal die zur Rechenschaft ziehen, die jetzt noch verfolgten Christen die Ernsthaftigkeit ihres Glaubens absprechen und ihr Leben in Gefahr bringen. Gott selber wird einmal die zur Rechenschaft ziehen, die jetzt noch bewusst wegschauen, wenn Christen in unserem Land bedroht und misshandelt werden. Gott selber wird einmal die zur Rechenschaft ziehen, die meinen, seine guten Ordnungen ungestraft ändern zu können.

Nein, Gott schaut nicht einfach nur zu, wie Menschen sich gegen ihn und seine Geschöpfe auflehnen. Er greift ein und startet eine Revolution, die weit über das hinausgeht, was Revolutionen üblicherweise bewirken können und tatsächlich bewirken. Doch Gott führt seine Revolution ganz anders durch, als wir Menschen dies zu tun pflegen. Er bringt keine Gewehre und Panzer in Stellung; er veranstaltet auch keine Massenaufmärsche. Sondern Gott startet seine Revolution damit, dass er ein Embryo wird, selber ganz klein, schwach, verletzlich. Gott begibt sich selber ganz auf die Seite derer, für die er einsteht, wird selber ganz und gar Mensch, wird selber arm, schwach, hungrig, sterblich. Das ist Subversion vom allerfeinsten, Subversion, gegen die die Großen und Mächtigen dieser Welt nicht ankommen, gegen die Lobbyisten keine Chance haben, gegen die auch alle Intrigen am Ende wirkungslos bleiben. Gott setzt sich in dieser Welt durch mit der Macht seiner Liebe, begegnet dem Aufbegehren der Menschen gegen seine Herrschaft, gegen sein Wort und seinen Willen zunächst und vor allem damit, dass er Mensch wird und für uns, ja für die Sünde der ganzen Welt am Kreuz stirbt. Gerade so will er die Herzen der Menschen erreichen, sie umkehren, sie wieder neu auf sich, auf seinen Willen ausrichten.

Maria, die Mutter Gottes, sie ist die Symbolfigur für Gottes Revolution, sie, in der Gott selber Mensch wird, sie, die gerade diejenigen, die ganz unten sind, zum Singen ermuntert und anleitet, sie, die uns Vorbild ist in ihrem Glauben, in ihrem Vertrauen auf Gottes Wort. Maria hat nicht auf das geschaut, was die anderen denken könnten, hat nicht darauf geschaut, dass andere für blödsinnig und lächerlich halten werden, was Gott ihr in seinem Wort ankündigte. Sie hat sich auf dieses Wort allein verlassen: Mir geschehe, wie du gesagt hast.

Mögen wir uns darum von Maria dazu anleiten lassen, Gottes Wort mehr zu vertrauen als allen menschlichen Meinungen! Mögen wir uns von Maria dazu anleiten lassen, auch und gerade dann an Gottes gutem Willen für uns festzuhalten, wenn alles äußerlich dagegen zu sprechen scheint. Ja, mögen wir uns von Maria dazu anleiten lassen, auch und gerade in aller Enttäuschung und Frustration doch immer wieder zu singen, das Lied anzustimmen von dem Gott, der die Gewaltigen vom Thron stößt und die Niedrigen erhebt. Halten wir uns nur an ihn, Christus, den Sohn Mariens! Er wird uns mit sich ganz hochheben, aus allem Elend unseres Lebens heraus – bis in den Himmel! Amen.

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