St. Johannes 14, 1-6 | Tag des Apostels St. Thomas | Pfr. Dr. Martens

Wenn wir mit Ereignissen konfrontiert werden, die uns vor Entsetzen zunächst nur sprachlos machen, ist die Gefahr groß, dass wir die Sprachlosigkeit bald mit allem möglichen Gequatsche zu übertönen versuchen, dass wir viele Worte gebrauchen, wo eigentlich nur wenige angemessen wären. Genauso haben wir es seit dem Terroranschlag am Montagabend erlebt. Da waren die Spuren des Anschlags auf dem Breitscheidplatz noch nicht einmal beseitigt, da wurde schon so viel geredet, da konnten es sich viele nicht verkneifen, nun gleich wieder über die Flüchtlinge und die Flüchtlingspolitik in unserem Land im Allgemeinen herzuziehen - ein Terroranschlag als willkommene Bestätigung dessen, dass man ja immer schon recht gehabt hatte!

Da, wo uns selber die Worte fehlen, um zum Ausdruck zu bringen, was uns bewegt, tun wir gut daran, nicht gleich selber zu reden, sondern zunächst einmal zu hören. Und genau das wollen wir jetzt in dieser Predigt tun: Wir wollen einfach nur hinhören auf das, was uns ein anderer sagt – Christus, unser Herr, ja auch der Herr über Leben und Tod. Was er sagt, ist nicht abhängig von dem Eintreffen bestimmter Ereignisse und erweist sich zugleich doch in immer wieder wechselnden Lebenssituationen als wahr und aktuell und wegweisend.

„Euer Herz erschrecke nicht!“ – Was für ein aktueller Zuruf steht da am Anfang des Heiligen Evangeliums dieses Tages. Ja, wir sind erschrocken, erschüttert, von allen möglichen Emotionen hin- und hergeschüttelt – so dass wir drauf und dran sind, den Grund zu verlieren, auf dem wir in unserem Leben stehen. Ja, da haben wir sie so nötig, die mahnende und tröstende Stimme unseres Herrn: „Euer Herz erschrecke nicht!“ Lasst euch doch nicht durch solche Ereignisse durcheinanderbringen. Erwartet ihr von dieser Welt etwas anderes? Glaubt ihr allen Ernstes, diese Welt werde sich irgendwann gleichsam von selbst in ein Paradies verwandeln? Nein, das wird sie nicht. In dieser Welt wird immer die Sünde herrschen, die Abwendung von Gott. Solange er, Christus, nicht wiedergekommen sein wird, wird sich daran nichts ändern, wird sich auch eine Religion, in deren Heiligem Buch zur Tötung der Ungläubigen aufgerufen wird, nicht einfach zu einer Friedensbotschaft verändern. „Euer Herz erschrecke nicht!“ Ja, es ist verständlich, wenn in diesen Tagen auf Facebook alle möglichen Wünsche geäußert werden – Wünsche nach einer Welt ohne Krieg und Hass und Terror. Diese Sehnsucht trage auch ich in mir. Doch das soll uns nicht den Blick darauf trüben, was uns bis zur Wiederkunft unseres Herrn in dieser Welt erwartet: Kriege und Feindschaft und nicht zuletzt auch Verfolgung derer, die sich zu Jesus Christus als ihrem Herrn bekennen.

Was für ein Gegenmittel gegen unser Erschrecken, gegen unsere Furcht und Angst präsentiert uns Christus hier? „Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ Nein, „glaubt an Gott“ allein reicht eben nicht. An Gott zu glauben behaupten auch die, die Lastwagen in Menschenmengen lenken und Priestern die Kehle durchschneiden. Damit der Glaube an Gott nicht zu einem Glauben an eine Fratze verkommt, ist der Nachsatz genauso bedeutsam: „Glaubt an mich!“ Glaube an Gott erweist sich nur da als tragfähig, als tröstend und stärkend, wenn er zugleich Glaube an Jesus Christus ist, an ihn, in dem Gott selber sich uns Menschen endgültig zu erkennen gegeben hat als der, der er in Wirklichkeit ist. Gewiss, auch dieser Glaube an Christus ist im Verlaufe der Geschichte immer wieder missbraucht worden – vergessen wir es nicht! Aber er findet sein Korrektiv eben immer wieder im Wort Jesu selbst, das ganz anders ist als unsere menschlichen Vorstellungen und Wünsche.

Und dann lenkt Christus hier unseren Blick in eine ganz andere Richtung als die, in die wir uns zunächst einmal mit unseren Gedanken bewegen mögen: „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen.“ Wer seine Hoffnungen darauf setzt, dass wir Menschen dem Leid in dieser Welt doch noch ein Ende setzen, dass es uns doch gelingt, alle Menschen zur Vernunft zu bringen – wie auch immer die dann aussehen mag, der wird am Ende enttäuscht sein und resignieren. Nein, sagen wir es ganz offen: Unsere Hoffnungen richten sich allein auf Gottes Welt, die nicht das Ergebnis unserer Reformbemühungen ist, sondern die jetzt schon Bestand hat, bevor wir auch nur irgendetwas hier auf Erden unternommen haben. Christus verspricht uns ein Zuhause, in dem wir einmal ankommen werden und aus dem wir niemals mehr vertrieben oder abgeschoben werden können, in dem wir nicht bloß geduldet werden oder einen Aufenthalt auf Zeit bekommen, sondern in dem wir endgültig werden aufatmen können, in dem wir endgültig verstehen werden, was uns jetzt in unserem Leben noch so rätselhaft erscheint.

Ja, das allein ist das wahre Ziel unseres Lebens: nicht 80 oder 90 Jahre alt zu werden, nicht möglichst viel Geld zu verdienen, nicht möglichst lange gesund zu bleiben. Das wahre Ziel unseres Lebens markiert Christus hier ganz einfach: „damit ihr seid, wo ich bin.“ Da geht es hin, das allein ist wirklich wichtig, ganz gleich, wie alt wir werden, ganz gleich, wie und wann unser Leben einmal enden wird. Einfach bei Christus sein, einfach ihn, den Herrn, sehen, mit dem wir doch schon hier und jetzt immer wieder eins werden im Heiligen Mahl.

Und wenn wir dieses Ziel klar vor Augen haben, dann schenkt uns das auch eine ganz große Gelassenheit für unser Leben: Wenn wir wissen, wohin es mit unserem Leben geht, wird es auch IS-Terroristen nicht gelingen, unser Leben und unseren Lebensstil zu ändern, wird es ihnen nicht gelingen, dass wir uns in unserem Leben von der Angst treiben lassen, was mit uns doch so alles passieren könnte. Und wenn sie noch so viele LKWs durch Menschenmengen jagen: Ihr werdet sein, wo ich bin. Ihr könnt mit all eurem Hass doch nicht mehr erreichen, als dass Christus euch noch gebraucht, um uns auf den Weg zum ewigen Leben zu geleiten.

Und genau um diesen Weg geht es, so betont Christus abschließend noch einmal. Da meldet sich der Thomas zu Wort, dessen Tag wir heute begehen. Ach, dieser Thomas, der steht uns von all den Aposteln, über die das Neue Testament berichtet, immer wieder mit am nächsten; der spricht aus, was auch uns so oft durch den Sinn geht: „Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst.“ Da hatte Christus gerade vom Haus seines Vaters geredet, hatte seinen Jüngern das alles so schön und deutlich erklärt – aber im Angesicht des Todes gerät das alles dann so schnell wieder aus dem Blick. Nicht anders geht es uns ja auch: Da wissen wir es doch eigentlich auch genau, wo unser Weg hinführt; Christus hat es uns so deutlich gesagt und zugesprochen. Aber dann reicht ein schwarzer polnischer Laster – und schon scheint uns dieser Weg wieder so unklar, verschwimmt das, was wir doch eigentlich klar wissen müssten, wieder vor unseren Augen.

„Wie können wir den Weg wissen?“, fragt Thomas. Recht hat er – mit unseren Überlegungen kommen wir da nicht weiter; wir selber können uns den Weg zu Gott nicht bahnen. Doch gottlob, das müssen wir auch nicht. Denn „ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich“, erklärt Christus. Halte dich an Christus – und du hast alles, was du brauchst, selbst wenn sich sonst in deinem Leben alles zu drehen scheint.

„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ – Was auch immer wir an Zeichen von Mitmenschlichkeit und Solidarität setzen mögen, gewiss auch zu Recht: Nichts kann und darf diesen Anspruch unseres Herrn relativieren, auch und gerade im Gespräch mit Muslimen. Jesus ist eben nicht bloß ein Prophet; er ist selber der einzige Weg zu Gott. Es gibt keinen anderen Weg – nicht durch Mohammad und auch nicht durch Abraham. Er lässt sich nicht durch eine Umleitung ersetzen; denn nur in ihm, Christus, haben wir das Leben; nur in ihm, in seinem Wort finden wir zuverlässig den Weg, der zu Gott selber führt. Halten wir uns darum gerade auch in diesen Tagen, die uns so sehr bewegen, ganz an Christus, an sein Wort! Suchen wir seine Nähe im Heiligen Mahl! Ja, genau so gehen wir den Weg, der zum Leben führt, der keine Schneise des Todes ist wie auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, sondern auf den Christus selber Menschen aus allen Völkern einlädt, um ihnen Heil und Rettung zu schenken. Beten wir darum für all die Menschen, die Christus noch nicht als ihren Retter erkannt haben, beten wir für alle, deren Herz in diesen Tagen hart ist von Hass und Vorurteilen; beten wir für alle Muslime, gerade auch für diejenigen, die sich in diesen Tagen wieder neu fragen, ob dieser Anschlag vielleicht ja doch etwas mit ihrer Religion zu tun hat! Beten wir für alle, die in diesen Tagen traurig und verzweifelt sind – und beten wir für uns selber, dass wir uns durch nichts und niemanden von Christus abbringen lassen, der der Weg zum Leben ist. Ja, beten wir dies alles stets durch Jesus Christus, unseren Herrn! Denn er sagt es doch selber so klar: „niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Amen.

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