1. Mose (Genesis) 18,1-14 | Vorabend zum Trinitatisfest | Pfr. Dr. Martens

Vor einigen Wochen besichtigten wir mit den Konfirmanden auf unserer Konfirmandenfreizeit die Krypta des Doms zu Fritzlar. In dieser Krypta befindet sich eine ganz alte Darstellung des Gnadenstuhls, also eine ganz alte Darstellung der Trinität. Diese Gnadenstuhl-Darstellungen sind natürlich nicht ganz unproblematisch. Der Heilige Geist kommt in ihnen immer reichlich kurz, wenn der Vater den Sohn in seinem Schoß hält und dann in diesem Bild irgendwo auch noch eine Taube als Symbol des Heiligen Geistes zu sehen ist. Dass der Heilige Geist genauso Person ist wie der Vater und der Sohn, kommt in dieser Darstellung eindeutig zu kurz. Aber eines kann man an diesem Gnadenstuhl dann doch sehr schön zeigen: Der Vater wird hier nicht als ein alter Mann mit Rauschebart dargestellt; sein Gesicht trägt vielmehr die Züge Jesu Christi selber. „Wer mich sieht, der sieht den Vater“, so sagt es Jesus selber. Wir können über den dreieinigen Gott nur so reden, dass wir dabei ansetzen bei Jesus Christus, der allein der Schlüssel und der Zugang zum Geheimnis des dreieinigen Gottes ist.

Die orthodoxe Kirche verwendet ein anderes Bild zur Darstellung der Dreieinigkeit Gottes. Ihr berühmtestes Dreieinigkeitsbild ist die Ikone des Andrej Rublew, das die drei Männer im Hain Mamre beim Besuch Abrahams zeigt, also eine Darstellung der Geschichte, die wir eben in unserer Predigtlesung gehört haben. Ja, dieses Bild hat einen großen Vorteil: Es macht deutlich, dass es sich bei dem Dreieinigen Gott tatsächlich um drei Personen handelt, die doch zugleich so sehr aufeinander bezogen sind, dass sie in dieser Dreiheit zugleich ganz eins sind.

Es ist eine faszinierende Geschichte, die uns hier im 1. Mosebuch erzählt wird. Davon, dass der HERR Abraham erschien, berichtet sie, so heißt es hier gleich zu Beginn. Und dann fährt der Erzähler fort: Als Abraham seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und dann läuft Abraham den dreien entgegen und begrüßt sie mit den Worten: Herr, habe ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so geh nicht an deinem Knecht vorüber. Und so geht es immer weiter in der Geschichte: Mal ist von dreien die Rede, und dann wieder von einem, von dem HERRN. Der eine Gott gibt sich hier in drei Personen zu erkennen.

Ja, das ist ganz wichtig, dass wir das festhalten: Die Dreieinigkeit Gottes ist nicht eine Theorie, die sich irgendwelche klugen Theologen im Verlauf der Kirchengeschichte ausgedacht haben. Sondern die Dreieinigkeit Gottes ist eine ewige Realität; natürlich ist Gott der HERR auch im Alten Testament der dreieinige Gott und kein anderer. Und das ist entsprechend nicht etwas, was wir uns vorstellen oder eben auch nicht vorstellen können; sondern alles, was wir über ihn, den dreieinigen Gott, wissen können, beruht darauf, dass er sich uns vorstellt, dass er sich uns zu erkennen gibt, dass er uns erscheint.

Der dreieinige Gott gibt sich also so zu erkennen, dass er auf uns zukommt, dass er uns begegnet, dass er uns anspricht in seinem Wort, ja, dass er die Gemeinschaft mit uns Menschen sucht. Darin wird der dreieinige Gott erkennbar, dass er uns Menschen sucht, dass er zu uns spricht in seinem Wort und dass auf dieses Wort Verlass ist.

Wenn wir den dreieinigen Gott erkennen wollen, dann geht es zunächst und vor allem darum, dass wir auf sein Wort hören, dass wir darauf achthaben, wie er sich uns in diesem Wort zu erkennen gibt. Was Gott in seinem Wort sagt, mag zunächst einmal völlig verrückt klingen, nicht nachvollziehbar, nicht einleuchtend. Damals kündigte er dem Abraham an, dass er und seine Frau Sara trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch einen Sohn bekommen werden. Menschlich völlig unmöglich – und doch gilt zugleich: Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? Ja, dazu leitet uns der dreieinige Gott in seinem Wort immer wieder an, dass wir wegschauen von uns, von unseren Möglichkeiten, von unserem Vorstellungsvermögen, hin auf das, was er zu tun vermag und tatsächlich auch tut. Dazu leitet uns der dreieinige Gott in seinem Wort immer wieder an, dass wir auf sein Wort vertrauen und dann auch erfahren dürfen, dass auf dieses Wort Verlass ist, auch wenn es aller menschlichen Einsicht und allen menschlichen Wünschen widerspricht.

Es ist kein Zufall, dass sich der dreieinige Gott in dieser Geschichte bei einem Mahl zu erkennen gibt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Wenn wir uns dem Geheimnis des dreieinigen Gottes nähern wollen, dann tun wir das am besten so, dass wir das Heilige Mahl feiern. Da beten wir ihn, den dreieinigen Gott, an, singen ihm das „Heilig, Heilig, Heilig“. Und dann erfahren wir, wie Christus mit seinem Leib und Blut in uns Wohnung nimmt und uns eben damit in das Geheimnis des dreieinigen Gottes hineinzieht, in die Gemeinschaft der Liebe, die er, der dreieinige Gott, seinem Wesen nach ist: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein“, so betet es Jesus selber im Hohepriesterlichen Gebet vor seiner Verhaftung. Ja, „ich in ihnen und du in mir“ – Genau so gibt sich der dreieinige Gott in der Feier des Heiligen Mahls zu erkennen, dass er uns Anteil gibt an seiner Einheit, an seiner Liebe, dass wir durch die Teilhabe an Leib und Blut Christi in das Geheimnis der göttlichen Einheit hineingenommen werden.

Nein, das ist keine Spekulation – wir buchstabieren nur nach, was Christus selber in seinem Wort zu uns sagt, stammeln nach, was es bedeutet, in die Gemeinschaft des dreieinigen Gottes aufgenommen zu werden, Anteil zu bekommen an seinem göttlichen Wesen. Das ist wahrlich kein Aufhänger für blöde Sprüche, kein Anlass zum Lachen oder Herumblödeln, vielmehr Grund zu tiefem Staunen. Gott hat damals die Erfüllung seiner Verheißung nicht vom Wohlverhalten der Sara abhängig gemacht. Sie lacht – und trotzdem bekommt sie, wonach sie sich so sehr gesehnt hatte: den Sohn, den Stammhalter. Auch heute macht Christus, der lebendige Gott, seine Gegenwart in den Gestalten des Heiligen Mahles nicht von unserem Glauben abhängig. Er kommt zu uns, ob wir es glauben oder nicht. Wir empfangen seinen Leib und sein Blut, selbst dann noch, wenn wir, was Gott verhüte, die Worte Christi selber gar nicht ernst nehmen. Doch gerade so will er uns eine tiefe Freude in unser Herz schenken, will uns dahin führen, dass wir nicht länger meinen, nur das glauben zu können, was uns einleuchtet. Da, wo wir an unsere Grenzen stoßen, da fängt er, der dreieinige Gott, erst gerade an. Machen wir es darum wie Abraham, fallen wir vor ihm, dem dreieinigen Gott, auf die Knie, neigen wir uns zur Erde und beten ihn an, staunend vor Freude: Herr, ist das tatsächlich wahr, habe ich tatsächlich Gnade gefunden vor deinen Augen? Und er, der Herr, antwortet: Jawohl, du hast Gnade gefunden, du gehörst zu mir, seit mein Name, der Name des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, über dir ausgerufen wurde in deiner Taufe. So kommt und lasst uns anbeten, ja, kommt, denn es ist alles bereit! Amen.

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